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Alles ist vergänglich, nur der Kuhschwanz der bleibt länglich

Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen

Mein Vater Karl Giglinger hatte immer einen passenden Spruch auf Lager

Ich erblickte Anfang 1948 in Schloßberg bei Rosenheim das Licht der Welt. 

Glück gehabt, denn ein paar Jahre zuvor tobte noch der 2. Weltkrieg, der schließlich am 8.Mai 1945 durch die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht sein Ende fand. Durch Erzählungen meiner Eltern erfuhr ich, dass der letzte von insgesamt 14 Angriffen auf Rosenheim noch am 21. April 1945 erfolgte. Es ist nachzulesen, dass am Kriegsende die Alliierten mehr als 4000 Spreng-und Brandbomben über Rosenheim abgeworfen haben. Insgesamt kamen dabei 200 Menschen ums Leben und 189 wurden verwundet. Meine Eltern, die damals zwar nicht weit auseinander wohnten,  aber noch nicht zusammen gewesen sind, waren beide nur knapp zehn Kilometer von Rosenheim entfernt. Ich denke, es ist einem vorbestimmt, wann und wo man geboren wird, wie das Leben verläuft und wie, wann und wo es endet.

Meine Eltern haben überlebt, fanden sich und "zack" - wurde ich über drei Monate vor ihrer Heirat als "lediges Kind" - also als "unehelicher Bangert"  geboren. Im Gegensatz zu meinen überglücklichen Eltern war ich laut dem damaligen Pfarrer von Zaisering "kein Gott gewolltes Kind". Dementsprechend hat er mich nur sehr widerwillig getauft und wenn überhaupt, dann nur mit einem zweiten Namen einer Heiligen. So kam ich außer zu dem ursprünglich ausgesuchten Namen "Eva" noch zu meinem zweiten Vornamen "Maria" Die geistlichen Herrschaften genossen seinerzeit die uneingeschränkte Achtung und den absoluten Respekt des Landvolkes. Mein Vater hat dieses Verhalten damals schon mit einem seiner bayrischen Sprüche gerügt: "Der duad se scho a bisserl vui Kraut aussa!" (übersetzt: der übertreibt es mit seinen Forderungen).

Egal, ob die damalige geistliche Obrigkeit es gutgeheißen hat, unter welchen Umständen bzw. Zuständen mein Start ins Leben begann, haben mich meine Eltern Karl und Katharina Giglinger, wohnhaft in einer maximal 20 Quadratmeter großen Zweizimmer-Wohnung des landwirtschaftlichen Anwesens "Schuster" (Familienname Wimmer) in Aign Gemeinde Vogtareuth, von Beginn an innig geliebt. Und das, obwohl ich knallrote Haare, eine Emmentaler ähnliche Hautfarbe hatte und zunächst von oben bis unten runzelig war. Als ich zu sprechen begann und ich, wenn ich nach meinen Namen gefragt wurde, habe ich mich selbst geadelt, indem ich mich mit Eva Amia von Giiglinger. Wenn schon, denn schon. Mein Papa konnte sich darüber immer köstlich amüsieren und ich wunderte mich immer, warum alle lachen!

Wir waren eine bettelarme, aber glückliche Familie. Meine Eltern waren immer für mich da, sie  spendeten mir Trost, wenn ich traurig war und mich die anderen Kinder wegen meiner rostigen Haarfarbe verspotteten. Sie freuten sich aber genauso mit mir, wenn ich gut in der Schule war und eine ordentliche Lehrstelle als Großhandelskauffrau gefunden hatte. Auch wenn wir nicht mit Reichtümern gesegnet waren und meine Eltern oft nicht wussten, wie wir über den jeweiligen Monat kommen sollen, war verzagen für sie keine Option. Kurz: Wir teilten Freud und Leid miteinander und hielten zusammen wie Pech und Schwefel.  Und das ist meines Erachtens mehr wert, als wenn mich irgend ein Pfarrer "toleriert" oder als "nicht Gott gewollt" abstempelte. Aber nur soviel dazu, wenn immer wieder gepredigt wird: "Vor Gott sind alle Menschen gleich".  Anscheinend doch nicht.  Manche sind immer gleicher als andere! Das bilden sie sich zumindest ein, auch wenn es nicht so ist. Zur Ehrenrettung der katholischen Priester. Es gibt solche und andere - wie zum Beispiel Expositus und Religionslehrer Johann Kneißl. Er war irgendwie mit meinem Vater befreundet und kam immer zum Schach spielen zu uns. Er machte keinen Unterschied zwischen arm und reich. Für ihn zählte der Mensch. Wie ich schon in einem anderen Bericht erwähnt habe, hat er mir beim Kramer in Zaisering manchmal die beliebten Eisguatl spendiert. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich ihn regelrecht "gestalkt" habe, als er auf dem Weg zum Einkaufen war. Ich dachte da immer an den Spruch meines Vaters: "Mei, Dirndl! Vo nix kimmt nix". (Von nichts kommt nichts) Er dachte dabei eher an Lernen, arbeiten und nach mehr streben, als den Expositus bei seinen Einkäufen jeweils um 10 Pfennige für Bonbons zu erleichtern. Für mich war es eine Sache der Interpretation. Oder auch eine noble Geste des Pfarrers, der auf seine "Schäfchen" schaute, damit es ihnen gut ging. Und mit "Eisguatl" ging es mir "sakrisch guad."

"Ach du liebe Zeit, schon wieder so "a neimodisches Graffe"

Ich kann es nicht oft genug sagen, wie froh ich bin, ein Nachkriegs-und Wirtschaftswunderkind zu sein. Ich bin in die Gründerjahre der Bundesrepublik Deutschland hinein geboren worden. Es ging wieder aufwärts nach den schrecklichen Kriegsjahren, die meine Eltern und Großeltern mitmachen mussten. Zwar steckten dessen Schrecken den Menschen noch in den Knochen. Sie freuten sich über Ruhe und Sicherheit, die sich allmählich einstellte. Mit der Zeit spielte die Erwerbsstruktur mit einem hohen Anteil landwirtschaftlicher und sonstiger manueller Arbeit eine prioritäre Rolle, wie auch die höhere Bildung sowie autoritäre Wertmuster in Ehe, Familie und Schule mehr in den Vordergrund rückten. Der Aufstieg in den 50er-Jahren in die moderne Gesellschaft der heutigen Zeit hat seinen unaufhörlichen Lauf genommen. Ob es nun die Errungenschaft des Fernsehens, die Anfänge des Automobilbooms, des Massentourismus und die Teenagerkultur war. Alles war neu, kolossal interessant und phänomenal. 

Meine Mutter war eine genügsame und sparsame Frau, die das wenige Geld, das mein Vater damals auf dem Bau verdiente, zusammenhielt. Ich weiß bis heute nicht, wie sie es schaffte,  trotzdem noch etwas auf die "hohe Kante" zu legen. Es dauerte natürlich viele Monate, bis man sich eine größere Anschaffung leisten konnte. Ihr Leitspruch war stets: "Hier Ware, hier Geld" Das hat sie mir gebetsmühlenartig eingebläut. Etwas auf Pump zu kaufen, kam für sie nicht in Frage. Sie wollte niemand etwas schuldig sein. Als es soweit war und sich Mama wieder einen ansehnlichen Betrag zusammen gespart hatte, fragte sie meinen Papa: "Karl, was meinst du? Soll'n ma uns a Waschmaschin kaffa oda an Fernseher?" Mein Vater war zwiegespalten, denn er wusste, wie sehr sich meine Mutter abrackern musste, als sie im Freien am Waschtisch vor dem Küchenfenster (auch bei Eiseskälte) die Arbeitskleidung meines Vaters und die meines ledigen Onkel Franz mit der Wurzelbürste schrubbte. Das heiße Wasser, das sie am Küchenherd erhitzte, schleppte sie schnaubend im Waschzuber nach draußen. Das nichts Schlimmes passierte, grenzt an ein Wunder. Mit dem Hintergedanken, dass ihr Karl vielleicht eher auf die Einkehr nach der Arbeit in das Wirtshaus "Zum Botenwirt" in Niedernburg verzichten würde, sagte sie, bevor er sich entschieden hatte: "Ach geh Karl, i woaß doch, dass du gern an Fernseher hättst. Oiso - kaff ma an Fernseher?!" Der Kauf des Fernsehers hatte tatsächlich zur Folge, dass mein Vater sich das Feierabendbier beim Getränkehändler Gassner in Aign holte beziehungsweise von Mama oder mir holen ließ. So gesehen war die Entscheidung richtig. Trotzdem musste meine Mutter noch ein paar Jahre weiterhin die Wäsche unter schwierigen Bedingungen waschen. Aber immerhin konnten wir uns zuvor noch eine Wäscheschleuder leisten, die bei Inbetriebnahme durch die ganze Küche hüpfte. So konnte man zumindest die kleineren Wäschestücke auf dem Wäscheständer in der Küche trocknen und eher wieder anziehen. 

Papas ganzer Stolz - das Fernsehgerät - löste bei unseren älteren Vermieterinnen Nanni und Resl Liegl großes Staunen aus. Sie konnten sich nicht vorstellen, "wie die Leute in den kleinen Fernseher passten." Die Wirtschaftswunderzeit hielt Stück für Stück Einzug!  Nicht nur in unserer bayerischen Heimat, sondern in ganz Deutschland. 

Dennoch wäre die Bundesrepublik ohne die wirtschaftliche europäische Integration und die Verankerung in der westlichen Weltwirtschaft wohl nicht bereits in den fünfziger Jahren zu einer westlich geprägten Gesellschaft geworden.  

 

Zurück zu den Haushaltsgeräten: Während früher zum Beispiel Kuchenteig, Sahne und Eischnee mit dem Kochlöffel, später dem Handquirler verrührt und steif geschlagen wurden, erlöste schließlich der elektrische Mixer die Hausfrauen. Als ich als junge Frau in Rosenheim beim  Elektrogeschäft Spachmüller in Rosenheim arbeitete, kaufte ich meiner Mama dieses fixe Wundergerät, das zum einen Kraft und Zeit einsparte und zudem den Kuchen fluffiger machte. Mein Vater war damals schon gestorben, aber er hätte dieses "neimodische Graffe" (neue technische Errungenschaften), wie er immer sagte, sicher verteufelt. Er war, wie viele andere Männer auch,  der Meinung, Hausfrauen haben ja eh soviel Zeit, die sie sich ja irgendwie "totschlagen" müssen. Die Emanzipation der Frauen erforderte einiges an Zuspruch, Zustimmung Geduld und Toleranz, bis sie sich den Weg in die Zukunft bahnen konnte.

 

Mein Vater Karl Borromäus Giglinger - für Einheimische

"da Kurban Karl aus Zoassaring"  (Zaisering bei Vogtareuth Landkreis Rosenheim) -

hielt nicht viel von Emanzipation, obwohl man damals dieses Wort noch gar nicht kannte. Wenn eine Frau damals "arbeiten gehen"  wollte, musste sie ihren Mann um Erlaubnis bitten. Nicht jeder war damit einverstanden, denn schließlich hatten die Ehefrauen dafür zu sorgen, dass der Haushalt in Ordnung war und sich die restlichen Familienmitglieder zuhause wohlfühlten. Da hielt man es wie in Johanna von  Kokzian's Lied "Das bisschen Haushalt macht sich von allein!"

Das war auch ein Grund, dass Papa neumodischen Errungenschaften, die im Haushalt hilfreich waren, nicht viel abgewinnen konnte. Und das, obwohl meine Mama auch noch das ganze Holz für den Winter  im Wald sammelte, es mit dem Leiterwagen heimzog, es in Scheite klob und in der Holzlege aufstapelte. Selbstverständlich holte sie es auch in einem Schwingel (Korb)  in die Küche, damit es Papa und ich warm hatten. Darüber hinaus half sie bei den umliegenden Bauern bei der Erntearbeit aus und brachte sich beim Wirt Hofmüller in Zaisering in der Küche ein, wenn bei Festen Hilfe notwendig war.  Sie hat nie geklagt und auf sich geschaut, wir - Papa, ich und Onkel Franz waren ihr immer das Wichtigste. Papa war sich dennoch sicher: "Mama hat es gut. Sie darf zuhause bleiben!" Ich möchte ausdrücklich bemerken, dass die meisten Männer von damals dieselbe Einstellung hatten. "Eine Frau gehört ins Haus! " Es war damals so üblich - und die Frauen haben sich ihrem Schicksal ergeben. Sie gebaren Kinder und standen in Haus und Garten ihren Mann. Aus, Ipfe, Amen!

 

Ich war ein halbes Jahr alt, als es in Deutschland ein "Kopfgeld" gab

Kaum war ich auf der Welt, ging es auch schon los mit gravierenden Veränderungen, obwohl ich als Neuankömmling selbstverständlich keinerlei Einfluss hatte🤣. Am 20. Juni 1948 erfolgte eine Neuordnung des Geldwesens in den westlichen Besatzungszonen.

Eine Währungsreform trat in Kraft und die Deutsche Mark ersetzte die bis dahin gültigen Zahlungsmittel "Reichsmark" und "Rentenmark" , die damit ungültig wurden. 

Des Weiteren wurden alle Guthaben im Wert von 10:1 umgestellt. Zusätzlich erhielt jeder Bürger ein erstes Barguthaben in Höhe von 40 D-Mark, das sogenannte „Kopfgeld“. Einen Tag später wurde die D-Mark zum alleinigen Zahlungsmittel erklärt.

Ein Schock für diejenigen, die etwas auf der hohen Kante hatten. Denn die Sparguthaben wurden stark entwertet. Pro 100 Reichsmark gab es lediglich 6,50 Deutsche Mark. Für meine Mutter war es - wie für viele andere, die sich alles vom Mund abgespart hatten - ein Fiasko. Obwohl sie sich in weiser Voraussicht vorher ein Schlafzimmer gekauft hatte, musste sie einen beträchtlichen Teil des Ersparten einbüßen. Der absolute Clou war folgender: Mein Onkel Ludwig hatte das landwirtschaftliche Anwesen der Eltern in Lohen Gemeinde Vogtareuth geerbt. Da er aus dem Krieg verwundet zurück kam, konnte er den Betrieb nicht weiterführen, sondern musste sich um eine Alternative bemühen. Das Ergebnis war eine Holzschuhwerkstatt. Da er die schweren gelagerten Baumstämme nicht alleine in die Werkstatt tragen konnte, war es für meine Mama eine Selbstverständlichkeit, ihrem Bruder bei dieser Tätigkeit zu helfen. Und das, obwohl es viel zu schwer war für eine Frau. Gesagt - getan. Als sie ihren Bruder nach dem Kauf eines Schlafzimmers fragte, ob sie dies in den teils leeren Schuppen des elterlichen Bauernhauses bis zu ihrer Hochzeit lagern dürfe, verneinte er das, weil seine Frau Therese dagegen war. Auch als der Vater gestorben war, wollte mein Onkel offensichtlich nichts mehr von dem Versprechen der Eltern wissen, dass meiner Mutter für ihre Arbeit zuhause und in der Werkstatt ein kleiner Baugrund neben dem Haus der Familie Redl in Lohen versprochen wurde. Sie ging vollends leer aus und das enttäuschte sie zutiefst. Es war lange Zeit Funkstille zwischen den beiden. Auch die verbliebenen Schwestern distanzierten sich vom Hoferben samt Familie. Erst lange Zeit danach besuchte ihr Bruder Ludwig meine Mama, die inzwischen bei mir in Halfing wohnte. Er bat um Verzeihung und beide weinten bitterlich. Es ging dabei nicht nur um Hab und Gut, sondern um die verlorene, unwiederbringliche Zeit, in der sie sich nicht gesehen und besucht haben. Obwohl ich keine Geschwister habe, konnte ich nicht nachvollziehen, wieso man sich innerhalb der Familie das Leben so schwer machte.

 

Zurück zur Währungsreform: 

Zwei Monate danach  wurde im alten Schloss  in Herrenchiemsee  sozusagen im Handumdrehen eine maßgebliche Grundlagenarbeit für eine deutsche Verfassung geleistet. Über 30 Fachleute kamen an diesem historischen und wunderschönen Ort zusammen. Am Ende der umfangreichen Beratungen stand in Anbetracht der furchtbaren NS-Gräueltaten die unantastbare Würde des Menschen im Fokus. Nach 14 Sitzungstagen lag eine Zusammenfassung vor, in der sowohl Probleme angesprochen und die unterschiedlichen Standpunkte auf einen Nenner gebracht wurden. Man hatte mit diesem 149 Artikeln ein umfassendes Konstrukt vorliegen, das den Entwurf für ein Grundgesetz darstellte, das schließlich am 23. Mai 1949 in Kraft trat.

Ein Vergleich dieses Entwurfes des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass der Aufbau der Texte nahezu identisch übernommen wurden. 

 

Was diese Tatsache für mich so besonders interessant macht, ist, dass ich im Alter von 20 Jahren nach Halfing geheiratet habe. Also rund 13 Kilometer entfernt von meinem Wohnort wurde in Herrenchiemsee die deutsche Verfassung "geschmiedet".

"Wir bekennen uns zu Deutschland, weil wir zu Deutschland gehören!“

Das Grundgesetz (GG) ist die Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland.. Es wurde vom Parlamentarischen Rat, dessen Mitglieder von den Landesparlamenten gewählt worden waren, am 8. Mai 1949 beschlossen und von den Alliierten genehmigt.

Die von den Bayern als leidiges Regelwerk betrachtete Verfassung, musste nach endlosen Debatten am 20. Mai 1949 endlich zur Abstimmung gebracht werden, nachdem die  Abgeordneten des bayerischen Landtages über 14 Stunden heftig und leidenschaftlich gestritten hatten. Es ging darum, ob der Freistaat Bayern dem Grundgesetz, der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, zustimmen sollte oder nicht. Das Ergebnis der 174 Abgeordneten, die abgestimmt haben lautete: 64 Ja, 101 Nein und 9 Enthaltungen. Fazit: Das Grundgesetz in der vorliegenden Fassung hat nicht die Zustimmung des Bayerischen Landtags gefunden. Dieser hatte dem Landtag empfohlen, das Grundgesetz abzulehnen. Ein Großteil der regierenden CSU empfanden das Grundgesetz in seiner vorliegenden Fassung als Angriff auf die Eigenständigkeit Bayerns. Bereits im Parlamentarischen Rat in Bonn, wo die Verfassung erarbeitet wurde, hatten die meisten Abgeordneten dagegen gestimmt, weil es offensichtlich dem Bund zu viel Gewicht gab und dementsprechend die Gesetzgebungs-und Finanzhoheit der Länder schmälerte. Die CSU vertrat die Meinung, dem Bund stehe nur so viel zu, wie ihm die Länder zu geben bereit seien. Der CSU-Abgeordnete Lacherbauer begründete den Standpunkt seiner Partei und erntete damit lautstarken Widerspruch, als er sagte: "Die Länder sind nicht die Kinder des Bundes, sondern der Bund ist das Gebilde der Länder. Die Länder übertragen Rechte auf den Bund, und nicht umgekehrt

 

Die Oppositionsparteien SPD und FDP versuchten vergeblich, die Bedenken der CSU zu zerstreuen. Sie beschworen ihre konservativen Kollegen, dem Grundgesetz und den darin niedergelegten demokratischen Werten die Zustimmung nicht zu versagen und malten die Folgen daraus in den düstersten Farben. Man unterstellte manchen Landtagsabgeordneten, dass sie am liebsten wieder einen Wittelsbacher als Oberhaupt eines unabhängigen bayerischen Staates gesehen hätten. Tatsächlich hatte der Vorsitzende der mit der CSU an föderaler Unbeugsamkeit wetteifernden Bayernpartei Josef Baumgartner die Sorge, unter dem Grundgesetz als "Verfassungsfeind" eingestuft zu werden. Er gab zu bedenken, dass ähnlich wie bei den Nazis, alle Parteien verboten werden können, die gegen die Bundesrepublik sind. "Ein Entwurf sieht sogar lebenslängliches Zuchthaus vor!" so seine Angst und warnte vor der Idee eines Staatenbundes, der politisch verfolgt werden könnte. Juristisch gesehen kam es aber auf das Votum des bayerischen Landtages gar nicht mehr an, denn die erforderlichen zwei Drittel der westdeutschen Länder hatten bereits zugestimmt. Das Grundgesetz galt so oder so - auch in Bayern. Um jeden Vorwurf des Separatismus zu entkräften, fasste der Landtag mit den Stimmen der CSU den Entschluss, die Ablehnung des Grundgesetzes durch ein feierliches Bekenntnis zur Bundesrepublik und zur Verfassungstreue zu ergänzen. Den Antrag dazu stellte Ministerpräsident Hans Erhard

Er war sich dessen sicher: "Wenn die deutsche Bundesrepublik auf Grund vorgeschriebener Genehmigungen und Abstimmungen zustande kommt, dann ist Bayern ein Teil dieses Bundesstaates, egal ober wir zum Grundgesetz "Ja" sagen oder nicht. " Es sei Tatsache, dass bei dem Entstehungsmodus der neuen Bundesrepublik ein alliierter Zwang vorliege, der keine andere Wahl zulasse. Dennoch bekenne man sich zu Deutschland: "Weil wir zu Deutschland gehören!" so Erhard und nahm damit allen Zweiflern den Wind aus den Segeln.

 

In den folgenden Jahren hat sich der Freistaat Bayern mit der anfänglich so ungeliebten Verfassung arrangiert. Bis heute versteht sich Bayern als kämpferischer Verteidiger der föderalen Eigenständigkeit der Länder. 

 

Ob nun mein Vater auch in diesem Punkt Recht behält, als er sagte: "Alles ist vergänglich, nur der Kuhschwanz der bleibt länglich!"  Ich weiß es nicht! Papa hätte es so auf den Punkt gebracht: "Nix Gwiss woass ma ned" (Nichts Gewisses weiß man nicht) Obwohl ich das Gefühl habe, die Welt scheint sich immer schneller zu drehen und sich in rasanter Weise zu verändern, so lässt es sich in Bayern immer noch gut und entspannt leben. Zumindest habe ich den Eindruck., dass sich auf dem Land die Hektik der Städte noch nicht so sehr ausgedehnt hat. Was den bayerischen Dialekt angeht, so erlebe ich es bei meinen Enkelinnen Romina und Julia so, dass sie zuhause noch bayrisch sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Sind sie mit städtischen Freundinnen zusammen, dann wird astrein hochdeutsch gesprochen, beziehungsweise in dem Jugendslang der heutigen Zeit, der sich eher nach Erkältungsgeräuschen, als nach Wörtern anhört. Im Gegensatz zu mir, die ich nur die Volksschule in Zaisering Nähe Rosenheim besucht habe, lernen sie Englisch und andere Sprachen, die sie dazu befähigen, sich auch im Ausland verständigen zu können. Für die jetzige Generation ist es wichtig, zum einen bodenständig zu sein, aber sich auch den Spruch zu verinnerlichen: "Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland und Europa unsere Zukunft." Es schadet auch nichts, wenn sie sich auch außerhalb Europas in der Welt umsehen und Erfahrungen sammeln. Jeder muss für sich entscheiden, wo er arbeiten und leben will. Ich als ihre Oma, wünsche mir für meine Enkel David, Romina, Julia und Emelie, dass es ihnen allzeit gut geht und sie glücklich sind und es immer sein werden.