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Die Weihnachtsbäckerei ist für mich immer noch ein wenig Hexerei

Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen

Plätzchen backen mit den Enkelinnen gehört zur Vorweihnachtszeit

Weihnachtsplätzchen hatten früher einen viel höheren Stellenwert. Ich kann mich erinnern, dass die Mutter meines ersten Mannes erzählt hat, dass sie die gebackenen Weihnachtsplätzchen immer verstecken musste. Das ging die ersten Jahre ganz gut. Doch einmal kamen seine beiden Schwestern und er ihr auf die Schliche und fanden das Depot, das sich auf dem Heuboden des landwirtschaftlichen Anwesens befand. Als sie die Plätzchenan Weihnachten hervorholen wollte, war die Blechschachtel so gut wie leer. Somit war Weihnachten wortwörtlich gegessen. Aber heimlich zu naschen, hat nun einmal seinen besonderen Reiz und Kinder waren damals schon raffiniert, wenn es um das Aufspüren der süßen Köstlichkeiten ging. Gestern war Weihnachtsplätzchen backen mit meinen Enkelinnen Julie und Emelie angesagt. Bereits am Vormittag habe ich aus den erforderlichen Zutaten den Mürbeteig zusammen geknetet und diesen für ein paar Stunden in den Kühlschrank gestellt. Die Mädchen warteten schon voller Tatendrang darauf, endlich loslegen zu können. Die ausgesuchten Ausstechformen lagen bereits parat und der Tisch war schon mit Mehl eingestäubt, damit der Teig nicht hängen blieb. Da ich leider nur einen Teigroller hatte, mussten sie sich diesen notgedrungen teilen. Kein Problem für die beiden Cousinen. Sie setzten sich kurzerhand gegenüber und verteilten die Aufgabenbereiche entsprechend. Eine war für den rechten, die andere für den linken Griff verantwortlich und so walkten sie mit vereinten Kräften den Teig auseinander. Allmählich entstanden wunderschöne Sterne, Monde, Rauten, Elche, Kometen, Herzen, Tannenbäume, Glocken, Lebkuchenmänner und vieles mehr. Julie und Emelie hatten mindestens so viel Spaß dabei, wie damals meine Kinder Carina, Tanja und Seppi. Genauso ich als Kind, wenn meine Mama mit mir Plätzchen buk. Es ist total egal, wenn der Teig mal hängen bleibt, etwas Mehl beim Bestäuben der Tischplatte versehentlich auf dem Boden landet, das eine oder andere Plätzchen mal nicht so gelingt oder es zu braun geworden ist, weil man übersehen hat, sie rechtzeitig aus dem Ofen zu nehmen. Hauptsache sie sind eigenhändig und mit viel Liebe und Fantasie kreiert und gebacken. Und selbstverständlich haben die beiden jungen Gehilfinnen, sobald ich die Plätzchen vom Backblech genommen hatte und etwas abgekühlt waren,  auch gleich ausgiebig probiert, bevor sie diese nach allen Regeln der Kunst mit Glasur bestrichen und mit allerlei Verzierungen versehen und verschönt haben. Stolz präsentierten sie am Ende ihr süße Weihnachtsplätzchen-Kollektion mit der Feststellung: "Gell, Oma, des ham mia guad g'macht!"

Mein Backwahn hält sich in Grenzen, außer man hat tüchtige Helferinnen

Weihnachten
Meine Weihnachtsplätzchen sind nicht perfekt, aber mit Liebe gebacken

Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich mich mit zwanzig Jahren als junge Ehefrau und Mutter eines Babys an die ersten Butterplätzchen herangewagt hatte. Ich wollte die Tradition fortsetzen und zumindest eine Sorte von den leckeren Weihnachtsplätzchen backen, so wie es meine Oma und meine Mama getan hatten. Meine Tante Anni aus Kolbermoor hatte schon Anfang November beinahe 30 Sorten gebacken, davon sehr komplizierte und aufwändige. Ich traute mir zu, zumindest die leichteste Variante zustande zu bringen. Doch selbst die eine, wo es nur Mehl, Butter, Zucker, Vanillezucker und Ei brauchte, gestaltete sich zunächst etwas schwierig. Der Teig wollte und wollte nicht geschmeidig werden, sondern bröselte trotz kräftigster Knetversuche. Zum Glück - oder wie sich nachher als Pech - herausstellte, kam mein damaliger Mann in die Küche, den ich zu Rate zog. Er sagte: "Oh mei, do muaßt ja a Milli eini doa!" (Übersetzt: "Da gehört Milch dazu").  Dies leuchtete mir kurzfristig ein, aber nicht lange. Denn plötzlich klebte die angerührte Masse, die ein Butterplätzchen-Teig hätte werden sollen, an allen zehn Fingern. Kneten ging jetzt erst recht nicht mehr. Auch meinem Mann war plötzlich klar, dass dies kein guter Rat seinerseits war. Auf einmal fiel ihm ein: "Oh je, ich habe vergessen, dass ich in Endorf etwas abholen muss!" Gesagt, getan - weg war er. Ich stand indessen mit klebrigen Fingern in der Küche und hatte keine weitere Option mehr, als meine Hände zu waschen und die Pampe unter ständigem Rühren in den Mülleimer zu kippen. 

Ich bin auch in den 50 Jahren meines Hausfrauen-Daseins keine gute Kuchen-Torten-und Plätzchenbäckerin geworden. Im höchsten Fall eine mittelmäßige. Aber es macht mir Freude, wenn ich mit meinen Enkeln zu Weihnachten Plätzchen backen kann. Zuvor war es der inzwischen 19-jährige David, dann die jetzt 14-jährige Romina und jetzt die beiden jüngsten Julie und Emelie. Ich bin auch stolz, wenn mein jetziger Mann Xaver mir ein Lob über einen gelungenen Kuchen ausspricht. Denn er macht inzwischen viel bessere Kuchen und Torten als ich. Bei meinen Kuchen gilt eher der Spruch: "Der Wille gilt fürs Werk!"

Mein ,,Backwahn" in Sachen Weihnachtsplätzchen ist nicht sehr ausgeprägt. Ich beschränke mich auf Spitzbuben, Butterplätzchen und Kokosmakronen, im Gegensatz zu anderen Frauen. Aber die werden gegessen. Mein Mann ist ein dankbarer Abnehmer und deshalb wird auch nach Weihnachten nichts weggeworfen.

Früher wurden die Plätzchen vor Weihnachten gehütet wie ein Schatz

Weihnachtsplätzchen hatten früher einen viel höheren Stellenwert. Ich kann mich erinnern, dass die Mutter meines ersten Mannes erzählt hat, dass sie die gebackenen Weihnachtsplätzchen immer verstecken musste. Das ging die ersten Jahre ganz gut. Doch einmal kamen seine beiden Schwestern und er ihr auf die Schliche und fanden das Depot, das sich auf dem Heuboden des landwirtschaftlichen Anwesens befand. Als sie die Plätzchen an Weihnachten hervorholte, war die Blechschachtel so gut wie leer. Somit war Weihnachten wortwörtlich gegessen. Aber heimlich zu naschen, hat nun einmal seinen besonderen Reiz und Kinder waren damals schon raffiniert, wenn es um das Aufspüren der süßen Köstlichkeiten ging. 

Aber auch manche Männer haben in der Weihnachtszeit ihre Geheimnisse. Mein Vater zum Beispiel: Er nippte jeden Tag von der Flasche des Strohrums, den Onkel Franz meiner Mutter als Backzutat aus dem Sommerurlaub in Österreich mitgebracht hatte. Als sie diese als Aroma für ihre Weihnachtsplätzchen brauchte, war die Flasche leer und es gab vorgezogene ,,fröhliche Weihnachten" für Papa, wie man sich vorstellen kann. Aber das ganze Schimpfen nutzte nichts. Erfreulicherweise gab es damals schon Rum-Aroma in kleinen Fläschchen. Die holte sich Mama vom Kolonialwarengeschäft Holnburger in Zaisering als Ersatz. Der Friede war somit bei den Giglinger's wiederhergstellt, nachdem mein Vater hoch und heilig versprochen hatte, sich nie wieder am "Platzer-Rum" zu vergreifen. 

Der Hit waren selbstgemachte,  im Schnee gekühlte Schokoplätzchen

Heutzutage muss man schon fast sagen, dass es  l e i d e r  alles zu kaufen gibt. Süssigkeiten gibt es in Überfluss und nur das Beste ist gerade gut genug. Schokolade war früher eine Rarität, die man vielleicht von einem Onkel oder einer Tante geschenkt bekam. Ich kann mich in meiner Kinderzeit nur an die Blockschokolade erinnern. So ist es nicht verwunderlich, dass die Weihnachtsplätzchen sehr begehrt und geschätzt wurden. An eine Sorte kann ich mich besonders gut erinnern. Es waren die "Eisguatl". Das Eiskonfekt wurde zum Abkühlen in den Schnee gestellt, was heutzutage im Gegensatz zu früher gar nicht mehr gewährleistet wäre. Es ist schon einige Zeit her, dass wir in Niederbayern an Weihnachten Schnee hatten. Für mich war es früher immer ein Erlebnis, am Heiligen Abend die selbstgemachten Eisguatl zu genießen. 

Durch Zufall habe ich neulich das Rezept entdeckt, das die Zutaten dieser begehrten Weihnachts-Spezialität meiner Kinderzeit folgendermaßen beschreibt:

 

250g Kokosfett
125g Puderzucker
4 Tl. Vanillezucker
50g Kakao
2 Eigelb
Rum-Aroma
oder Kaffeepulver oder Likör

 

Meines Wissens wurde alles zusammengemischt und gekühlt. Und die Plätzchen oder Bonbons haben wunderbar und unvergleichlich geschmeckt.

 

Wenn ich an meine Kinderzeit zurückdenke, hat es diese Köstlichkeiten jedes Jahr gegeben. Dies beweist wiederum, dass wir an Weihnachten immer Schnee hatten. Einen Kühlschrank gab es nämlich damals noch nicht.

 

Da mein Vater nur Bauhilfsarbeiter und darüber hinaus Alleinverdiener war,  wie damals die meisten Männer, waren die Kosten für die Backzutaten schon eine außergewöhnliche Ausgabe. Meine Mutter sammelte hierfür das ganze Jahr über die Rabattmarken, die sie beim Einkauf im  Tante-Emma Laden in Zaisering oder beim Kramerladen Friedl in Aign bekam. Wir klebten sie in der Adventszeit in das dafür vorgesehene Rabattmarken-Büchlein ein, um uns diese Extras leisten zu können. Papa und ich haben ihre Weihnachtsplätzchen geliebt.