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Der Eiskeller in Haindling hält die Geschichte des Eisens am Leben

Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen

Ein kühler Kopf machte das schweißtreibende Eissägen überflüssig

anno dazumal
Mit Haken wurden früher vielerorts die ausgesägten Eisblöcke an Land gezogen, um sie dann abzutransportieren

Man geht zum Kühlschrank und holt sich ein kühles Getränk oder nimmt sich ein Steckerleis aus dem Gefrierschrank, alles ganz normal und eine Selbstverständlichkeit. Das war nicht immer so. Bis Anfang/Mitte des 20. Jahrhunderts gab es diesen Komfort noch nicht. Ich kann mich daran erinnern, dass mein Vater mir bei einem Spaziergang über den zugefrorenen Hofstättersee (zwischen Rosenheim und Vogtareuth) erklärt hat, dass man hier früher Eisblöcke rausgesägt hatte, die zur Kühlung des Biers der umliegenden Gasthäuser gebraucht wurden. Zum Beispiel für den Botenwirt in Niedernburg und ich denke auch für die Brauereien Auer und Flötzinger in Rosenheim. Meine Freunde und ich gingen oder radelten früher gerne im Sommer zum nahegelegenen Hofstätter See zum Baden, meist jedoch auf die Vogtareuther Seite. Manchmal aber auch auf die Pruttinger-Seite, weil es dort damals schon einen Kiosk gab, um Süßigkeiten oder sogar ein Eis in der Waffelspitztüte zu kaufen. Das Strandhaus hatte schon bessere Zeiten erlebt und das Rückgebäude teils schon dem Verfall geweiht. Ein idealer Abenteuerspielplatz für uns Kinder. In diesem Zusammenhang kann ich mich an den ehemaligen Eiskeller erinnern, den wir entdeckt hatten.

Zu meiner Kinder-und Jugendzeit in den 60er und 70er Jahren hatte sich gottlob das Luxusgut "Kühlschrank" dank des erfinderischen Herrn Carl Paul Gottfried Linde bereits etabliert. Ab dann konnte sich sogar eine Arbeiterfamilie ein solch sensationelles Gerät leisten. Allerdings gab es zuvor schon eine gemeinschaftliche günstigere Lösung der Gemeinschaftskühlhäuser. So auch in Bubach bei Mamming im Landkreis Dingolfing-Landau, meinem langjährigen Wohnort. Mein Mann erzählte mir, dass dies damals eine bahnbrechende Errungenschaft des kleinen Ortes war. Die Wirtschaftswunderzeit hielt allmählich an allen noch so entlegenen Ecken und Enden Deutschlands Einzug und schritt kontinuierlich voran.

Der frühere Eiskeller in Haindling ist heute ein gemütliches Cafe

Heimat
Aus dem alten Eiskeller wurde ein gemütliches Cafe und ein fairer Verkaufsladen

 

Bis in die 1950er Jahre wurde auch der Eiskeller in Haindling bei Geiselhöring seiner Bestimmung gerecht. Er gehörte zur Dorfwirtschaft, die bis ein paar Zweckentfremdungen darin ihr Bier lagerte, um es frisch und kühl zu halten.

Wie vielerorts war diese Art von Lagerung mit einer schweißtreibenden Arbeit verbunden, und das in der kalten Winterzeit. Es wurde nämlich aus gefrorenen Gewässern gesägt oder geschlagen.

 

Allerdings war der Eisabbau von den Launen der Natur abhängig. Auch früher gab es milde Winter. Es bedurfte mindestens acht Tage strengen Frost, damit auf den gefrorenen Seen und auch Flüssen mit dem Eisen  begonnen werden konnte. Bis zu 20 Zentimeter dick und ungefähr ein Quadratmeter groß waren die geernteten Eisstücke, die man mit Zangen und Haken mühsam ans Ufer zog, um sie dann etwas zu zerkleinern. Per Pferdetransport gelangten sie in die Eiskeller. Bis diese gefüllt waren, dauerte es zirka zwei Wochen. 

 

Der Eiskeller in Haindling ist ein kleines Zweiraum-Gebäude inmitten des Geiselhöringer Ortsteils, der jahrhundertelang eine große Bedeutung als Wallfahrtsort erlangt hatte. Auch heute finden dort einmal im Monat und an bestimmten Feiertagen Wallfahrten mit Gottesdiensten in der Maria-Himmelfahrtskirche statt. So nebenbei erwähnt: Der ortsansässige Musiker Hans-Jürgen Buchner bediente sich des Ortsnamens Haindling als Künstlernamen. 

 

Zurück zum Eiskeller in Haindling, der im Nachgang zur Dorferneuerung eine Nutzungsänderung erfuhr. Das kam so: Als man für die zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel der Städtebauförderung alles Notwendige, wie Straßen-und Wegebausanierung, Schaffung eines attraktiven Dorfplatzes, Renovierung des alten Schulhauses und mehr, bewerkstelligt hatte, warf sich die Frage auf, was mit dem alten Eiskeller passieren soll. Zunächst wollte man ihn wegreißen und den frei gewordenen Platz zum Wenden von Bussen nutzen. Auf der anderen Seiten fehlte die Mitte des Dorfplatzes, der in einem so kleinen Ort wie Haindling immer schon einem ungezwungenen Gedankenaustausch diente. Gerade weil es das alte Wirtshaus nicht mehr gab, waren viele der Meinung, dass der Eiskeller hierfür erhalten werden sollte. 

Vormaliger Bürgermeister Franz-Xaver Stierstorfer war  Fürsprecher

Heimat
Haindling hat einen rührigen Verein , der die Ortsgeschichte aufrecht hält

Gesagt, getan! Die Verfechter der Aktion Eiskeller machten sich auf die Suche nach Mitstreitern, um Unterschriften zu sammeln. Danach wurde ein Antrag an die Stadt Geiselhöring gestellt. Mit Erfolg, der Stadtrat stimmte dem tatsächlich zu. Nun fehlte nur noch ein Konzept für die Durchführung. Man kam schließlich auf die zündende Idee, einen Verein zu gründen, der sich nicht nur mit dem Eiskeller befassen solle, sondern insgesamt das Dorf mit allerlei Aktionen und Angeboten zu beleben. Alle Generationen sollten eingebunden werden. Man beabsichtigte ein Gemeinschaftswerk entstehen zu lassen, von dem alle etwas haben. Nach Abwägung von allem Für und Wider konnte eigentlich gar nichts schief gehen, denn kulturell gesehen ist Haindling mit seiner imposanten Kirchen-Ensemble und dem renovierten Pfarrsaal geradezu prädestiniert für Veranstaltungen, die vielen Interessen Rechnung tragen. 

 

Seit 29. Juni 2004 kümmert sich der Verein Eiskeller Haindling e.V. darum, dass in dem lebens-und liebenswerten Ort einiges geboten ist. Allen Unkenrufen zum Trotz haben ,,die damischen Weiber" , wie die mutigen und engagierten Ideengeberinnen damals vornehmlich vom männlichen Geschlecht verspottet wurden, Recht behalten.

 

Egal ob das schnuckelige kleine Cafe, der Dorfladen als Einkaufs-und Kommunikationsstätte, das Kulturzentrum mit seinen vielfältigen Darbietungen, die Erlebnisführungen, die in die Geschichte von Haindling und Geiselhöring eintauchen und viele andere Veranstaltungen und Aktionen - es ist ein Erfolg auf der ganzen Linie. Nicht von ungefähr hat man inzwischen schon einige Auszeichnungen für dieses großartige Engagement eingeheimst. Eigeninitiative und Ehrenamt sind wichtige Kriterien, dass es nun schon vierzehn Jahre funktioniert. Nach Abzug der Ausgaben werden die erzielten Einnahmen entweder für neue Anschaffungen oder für Spendenprojekte verwendet. Meines Erachtens ist der Verein Eiskeller Haindling e.V. ein Vorzeigeprojekt, das wieder einmal mehr verdeutlicht, dass man gemeinsam stark ist und vieles bewegen kann.