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Wenn der Paketdienst gar nicht oder nur einmal klingelt

Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen

Der Onlinehandel stellt die Paketboten vor große Herausforderungen

Paketdienst
Die Paketzusteller gehören zu den bedauernswerten Sklaven unserer heutigen Arbeitswelt

Wenn ich mich daran erinnere, haben das meine Kinder und ihre Freunde auch schon gemacht. Nämlich  irgendwo geklingelt, schnell davon gelaufen und aus einem sicheren Versteck beobachtet, wie die Leute reagieren. Selbstverständlich habe ich sie dafür gerügt und ihnen verboten, es nochmal zu machen. 

 

Heute sind es die Paketzusteller, die sich zunehmend diese Methode zu Eigen gemacht haben. Entweder sie klingeln nur ganz kurz, oft aber auch gar nicht, weil es für sie eine enorme Arbeitserleichterung ist, wenn sie behaupten, man sei nicht zuhause gewesen. Einfach Abholkärtchen einwerfen, und schon ist der Fall geritzt.  Klar, dass es diesbezüglich jede Menge Beschwerden gibt. Manchmal zwar unbegründet, denn es kommt zugegebenermaßen mal vor, dass man aus irgendeinen Grund die Klingel nicht hört oder gerade in diesem Moment kurz weg ist.

Dennoch tun sie mir manchmal leid. Auch ich bestelle ab und zu etwas im Internet, weil es einfach bequem ist, schwerere Sachen nicht zum Auto schleppen, einladen, wieder ausladen, schließlich ins Haus tragen und vielleicht sogar die Treppe hoch transportieren müssen. Als neulich eine Lieferung kam, stellte der junge Mann das erste von drei Paketen neben die verkehrte Haustüre vor unserem Doppelhaus. Ich versuchte es umzulagern, war dazu aber nicht in der Lage, weil es mir zu schwer war. Da wurde mir klar, dass die Paketzusteller keinen leichten Job haben, zumal sie die Ware manchmal in den 3. Stock und höher hoch zu schleppen und diese auch noch heil abzuliefern haben.

Der Ärger mit den Paketen häuft sich, zumal die Online-Bestellungen ständig zunehmen. Manchmal kommen die Pakete beschädigt an, die Ware ist unvollständig, die Pakete kommen zu spät oder erreichen den vorgesehenen Empfänger überhaupt nicht. Inzwischen hat die Verbraucherzentrale unter Post-Ärger.de eine Beschwerdestelle eingerichtet, bei der unzufriedene Kunden reklamieren können.   

Zeitdruck, Leistungsdruck und miserable Bezahlung

Auch sonst hat sich einiges geändert, seitdem die Post kein Monopol für die Paketzustellung mehr hat. Besser geworden, wie man in www.zweitgeist.net im November 2010 lesen konnte, ist es meines Erachtens nicht. Im Gegenteil: Ich empfinde es chaotischer, obwohl man jetzt diverse Serviceleistungen nutzen kann: Zum Beispiel die Benennung von Nachbarn, einer öffentlichen Abholstelle oder einen Platz am oder um das Haus eröffnen Möglichkeiten, zugestellte Pakete kurzzeitig zu deponieren. Während man früher ein paar Takte mit dem Zusteller reden konnte,  hält dieser, oft nicht der deutschen Sprache mächtig, sofort den Touchpen samt Digitalgerät mit den einstudierten Worten: "Unterschrift" entgegen und zack, ist er wieder weg. Wenn man Glück hat, kann man gerade noch die Liefer-und Empfängeradresse checken, um zu wissen, ob man auch das richtige Paket bekommen hat. 

Packesel der Nation schuften für moderne Sklaventreiber

Bei allen Missständen, die es zu kritisieren gibt, muss man auch hinter die Kulissen sehen, die diese Situation, so wie sie jetzt ist, heraufbeschworen hat. Zum einen ist es der enorme Zeitdruck, dem die Paketboten ausgesetzt sind. Zum anderen sind es die niedrigen Löhne, die viele Überstunden erfordern, um einigermaßen über die Runden zu kommen, sofern sie überhaupt ausbezahlt werden. Besonders die Subunternehmer leiden unter der modernen Sklaverei. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi spricht von zunehmend katastrophalen Arbeitsbedingungen von denen tausende Zusteller betroffen sind. Dieser Misere zuträglich ist auch die Null-Versandkosten-Mentalität

Laut süddeutscher Zeitung liefert ein Fahrer durchschnittlich 200 Pakete ab. Eine 75 Stunden-Woche wird zur Normalität, wenn man das Arbeitspensum schaffen will.

Freilich gilt das nicht für alle Paketboten. Viele bekommen immer noch Tariflohn, bezahlten Urlaub und Krankengeld. Doch unter den Packeseln der Nation gibt es eine Klassengesellschaft. Neuanfänger bekommen nicht so viel wie diejenigen, die schon lange dabei sind. Und immer mehr landen wieder ganz unten und fallen illegalen Machenschaften zum Opfer. Solange für diese Knechterei sogar für die Spitzenzeiten der Paketdienste, wo es noch viel hektischer zugeht als sonst, genügend Leute gibt, die für wenig Geld Höchstleistungen bringen, wird sich hier nichts ändern. Das gilt nicht nur für Paketzusteller, sondern auch für viele andere Branchen, die sich nicht an den Mindestlohn, Gesetz und Ordnung halten.