· 

Phänomen ,,Bittgehen" und "Pilgern" erlebt eine Renaissance

Bayern, Heimat, Tradition, Brauchtum - gestern, heute, morgen

Pilgern und Wallfahren ist kein rückständiges Frömmigkeitsritual

Religion und Glaube
Bittgehen ist eine persönliche Angelegenheit, mit sich, seiner Umwelt und mit seinem Glauben ins Reine zu kommen

Ich glaube, dass fast jeder Mensch schon einmal in der Situation war, wo er nicht mehr weiter wusste und niemand hatte, der ihm dabei helfen konnte. In dieser Not vertrauen sich viele einer höheren Macht an, auch wenn sie nicht bekennende Christen sind. Manche wenden sich vom Glauben ab, weil sie von der Kirche als Institution enttäuscht sind, sie Zweifel an der Existenz Gottes haben oder Schicksalsschläge hinnehmen mussten, die sie mit dem Glauben nicht vereinbaren können. Besonders bei Jugendlichen ist dieser Trend festzustellen. Glaubt man der Statistik der Barner-Group, sind es besonders die jungen Leute, die den Kirchen fern bleiben. Eher glaubt die Mehrheit der Deutschen an Außerirdische. Die Männer mehr als die Frauen. 56 Prozent, die laut Umfrage zu dieser Erkenntnis kamen, glauben dass es im All intelligente Lebewesen gibt, die in der Lage sind, mit Erdbewohnern zu kommunizieren.

Je gefühlskälter die Welt, desto mehr erwärmt man sich für's Pilgern

In ländlichen Gegenden in Bayern wird die vorgenannte zunehmende ,,Ungläubigkeit" in punkto biblischer Weltanschauung widerlegt. Die zahlreiche Teilnahme von Menschen aller Altersklassen an vielen Bittgängen, Prozessionen, Wallfahrten und dergleichen, die gerade im Frühjahr alljährlich stattfinden, ist bemerkenswert. Für mich ist es ein Beweis dafür, dass Menschen einen Anker in ihrem Leben suchen, dass sie Halt brauchen, wenn etwas schief läuft und an etwas glauben können, in dem sie Zuversicht schöpfen.

So pilgern zum Beispiel morgen wieder die Mamminger zum Wallfahrtsort Altötting. Das machen sie schon seit vielen Jahrzehnten so.  Gegen Freitagabend begeben sie sich auf Schusters Rappen auf den Weg. Voran der Kreuzträger marschieren sie teils betend durch die Nacht, um gegen Samstag-Morgen ihr Ziel zu erreichen. Die oberbayerische Stadt ist seit 500 Jahren ein beliebter Anlaufpunkt für Pilger, die ihre Sorgen Gott und vor allem der Mutter Gottes, der Heiligen Maria, anvertrauen wollen. Der religiös motivierte Besuch heiliger Stätten ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Gleichzeitig hat man den Eindruck , verfolgt man die täglichen Schreckensmeldungen und Hiobsbotschaften , dass die Welt zunehmend verroht und gefühlsblinder wird. 

Bittgänge, Pilgern, Wallfahren, Prozessionen erleben einen Run

Religiöse Kraftorte aufzusuchen kann vielerlei Gründe haben

Triebfeder für die Popularität der Pilgermärsche und Wallfahrten dürfte das Gemeinschaftsgefühl und die Geborgenheit in der Gruppe sein. Dabei muss man nicht unbedingt ein Anliegen haben. Manche beteiligen sich auch, um ihren Glauben zu hinterfragen oder zu vertiefen, in sich zu gehen und zu sich selber zu finden. Oder einfach mal den Kopf frei zu bekommen, wenn man durch Gottes schöne Natur marschiert. Einige wollen schlichtweg wissen, ob sie den langen Weg schaffen können und sind danach mächtig stolz, wenn sie ihn gemeistert haben. Man muss nicht katholisch sein, um mitzugehen. Dennoch fühlt man sich am Ende als Teil einer großen Familie.

Das gehört mitunter auch zur Faszination und ist ein Grund, sich der Pilgermanie anzuschließen.

Die Fronleichnams-Prozessionen erfreuen sich stets großer Beteiligung